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TARANTELLEN

UND PIZZICA

Cover 'Pizzicarella mia'

EINIGE ANMERKUNGEN ZU PIZZICA

  

Im Roman werden einige wichtige Klassifizierungsmerkmale der Pizzica erwähnt; hier deshalb nur einige Ergänzungen und Beispiele zur ältesten Variante, der sog. Pizzica Pizzica. (Der heute ebenso häufig anzuteffenden Variante Werbetanz widme ich demnächst eine eigene Seite.) 

Das Gift der Tarantel

Die Pizzica ist eine eigenständige Variante der im Süden Italiens (ab ungefähr Neapel südwärts) weitverbreiteten Tarantellen. Sie ist auf den Salent beschränkt. In den angrenzenden Provinzen und Regionen gibt es zwar viele Varianten von Tarantellen. Aber es sind keine Pizzica. Denn ihnen fehlt das  Alleinstellungsmerkmal, der Mythos des Tarantelbisses, von dessen Gift die Gebissenen ('Tarantate') – auffälligerweise ausschliesslich Frauen – geheilt werden sollen. Hierzu sollen sie durch bestimmte Melodien zum Tanzen angeregt werden, um das Gift aus ihrem Körper zu treiben.

Ausschnitt aus dem Taranta Project von Ludovico Einaudi (2015)

Der Tanzmythos ist nicht auf die Pizzica beschränkt. Es gibt ihn auch andernorts, wenn auch der Grund manchmal böse Geister sind, die ausgetrieben werden müssen. Bekanntes Beispiel ist der 'Veitstanz', und wohl nicht zufällig gibt es einen Ort 'San Vito dei Normanni' in der Provinz Brindisi, der einer der bekanntesten Pizzica den Namen Pizzica di San Vito gibt.

Beispiel einer heutigen Bühnenversion

Es bleibt unklar, wie es im Verlaufe der Jahrzehnte konkret zu den heutigen Bühnenversionen gekommen ist, und viele Gruppen haben sich auch sehr von der ursprünglichen Idee entfernt.

Die Gruppe Il Canzoniere Grecanico Salentino (CGS) kommt m.E. der ursprünglichen Idee am nächsten. Hier eine Live-Aufnahme ihrer Version der bekannten Pizzica Beddhu stanotte- Pizzica di San Vito.

TARANTELLEN UND PIZZICA:

EINIGE ANMERKUNGEN ZU PIZZICA

Im Roman werden einige wichtige Klassifizierungsmerkmale der Pizzica erwähnt; hier deshalb nur einige Ergänzungen und Beispiele zur ältesten Variante, der sog. Pizzica Pizzica. (Der heute ebenso häufig anzuteffenden Variante Werbetanz widme ich demnächst eine eigene Seite.) 

Das Gift der Tarantel

Die Pizzica ist eine eigenständige Variante der im Süden Italiens (ab ungefähr Neapel südwärts) weitverbreiteten Tarantellen. Sie ist auf den Salent beschränkt. In den angrenzenden Provinzen und Regionen gibt es zwar viele Varianten von Tarantellen. Aber es sind keine Pizzica. Denn ihnen fehlt das  Alleinstellungsmerkmal, der Mythos des Tarantelbisses, von dessen Gift die Gebissenen ('Tarantate') – auffälligerweise ausschliesslich Frauen – geheilt werden sollen. Hierzu sollen sie durch bestimmte Melodien zum Tanzen angeregt werden, um das Gift aus ihrem Körper zu treiben.

Ausschnitt aus dem Taranta Project von Ludovico Einaudi (2015)

Man beachte das stetige Anziehen des Tempos mit Steigerungen, auch dort, wo man denkt, es könne keine mehr geben. Die Refrains sind nur vorübergehende Beruhigungen.

Typisch für die Interpretation der traditionelle Pizzica durch CGS sind das ununterbrochene Hämmern der beiden Tamburine, die langen Instrumentalphasen zwischen den Strophen, gegen Schluss das Jaulen der Violine, verbunden mit einem sich stetigen Nähern der Instrumentalisten und schliesslich Einkreisen der Tänzerin.

Die Schrittfolgen einer - grundsätzlich barfuss auftretenden - Pizzica-Tänzerin zeigen eine auffällige Dominanz der Vertikalbewegungen. Sie symbolisieren vermutlich das Zertreten der Tarantel.    

Es ist meiner Ansicht nach die eindrücklichste Version einer Adaption der sog. Pizzica Pizzica auf der Bühne. Nicht ohne Grund ist CGS 2019 als beste Folkgruppe der Welt ausgezeichnet worden.

Pizzica und das griechische Erbe

In zwölf salentinischen Ortschaften ist der griechische Einfluss aus der Zeit der Magna Graecia noch spürbar  - u.a. in Soleto, wo noch einige ältere Einwohner die griechisch-salentinische Mischsprache Griko sprechen - und singen (und wo die Protagonistin des Romans wohnt ...). Are mou rindineddha, ein schönes, melancholisches Beispiel - wenn auch keine Pizzica - findet sich bei der Gruppe

I Briganti di Terra d'Otrano

und in einer elaborierten Version beim Orchester

L'Arpeggiata von Erika Pluhar

(beide Youtube).

Musikalische Eigenheiten der Pizzica

Eine heute am häufigsten anzutreffende Pizzica-Gruppe besteht aus sechs Akteuren: Singstimme(n), Violine, Akkordeon, Gitarre, Tamburin und die Tänzerin. Auffälligerweise finden sich indes in der Pizzica keine der typischen Instrumente, wie sie in den Tarantellen der umgebenden Regionen und Provinzen gespielt werden: Der Dudelsack, die für Kalabrien typische Lyra (Leier), die zehnsaitige Chitarra battente der apulischen Provinz Gargano oder in Regionen der Basilicata. Auch die italienische Version von Castagnetten ist im Salent nicht gebräuchlich.

      

Hingegen findet sich eine - auf den griechischen Einfluss zurückgehende - tonale Eigenheit, die es sonstwo in Süditalien nicht gibt: Die lydische Tonleiter. Sie zeichnet sich durch eine Erhöhung des vierten Tons der Dur-Tonleiter um einen Halbton aus (in C-Dur etwa also Fis statt F). Sie klingt in manchen Ohren falsch, zumindest sehr fremdartig, und sie befindet sich leider auch auf dem Rückzug. In der folgenden Pizzica (hier ohne Tänzerin) in einer Version von Durante/Tesi ist die lydische Erhöhung des vierten Tons vor allem bei den kurzen Soloeinsätzen des Sopransaxophons (eine eher seltene Konfiguration ...) gut zu hören.

Ebenso gut lässt sich die zentrale Bedeutung des Tamburins verfolgen und Kunstfertigkeit, über die manche Pizzicaspieler verfügen.

Die Gruppe Il Canzoniere Grecanico Salentino (CGS) kommt m.E. der ursprünglichen Idee am nächsten. Hier eine Live-Aufnahme ihrer Version der bekannten Pizzica Beddhu stanotte - Pizzica di San Vito.

© zitlose 2024

Musikalische Eigenheiten der Pizzica

Eine heute am häufigsten anzutreffende Pizzica-Gruppe besteht aus den Akteuren: Singstimme(n), Violine, Akkordeon, Gitarre, Tamburin und die Tänzerin. Auffälligerweise finden sich indes in der Pizzica keine der typischen Instrumente, wie sie in den Tarantellen der umgebenden Regionen und Provinzen gespielt werden: Der Dudelsack, die für Kalabrien typische Lyra (Leier), die zehnsaitige Chitarra battente der apulischen Provinz Gargano oder in Regionen der Basilicata. Auch die italienische Version von Castagnetten ist im Salent nicht gebräuchlich.

      

Hingegen findet sich eine - auf den griechischen Einfluss zurückgehende - tonale Eigenheit, die es sonstwo in Süditalien nicht gibt: Die lydische Tonleiter. Sie zeichnet sich durch eine Erhöhung des vierten Tons der Dur-Tonleiter um einen Halbton aus (in C-Dur etwa also Fis statt F). Sie klingt in manchen Ohren falsch, zumindest sehr fremdartig, und sie befindet sich leider auch auf dem Rückzug. In der folgenden Pizzica (hier ohne Tänzerin) in einer Version von Durante/Tesi ist die lydische Erhöhung des vierten Tons vor allem bei den kurzen Soloeinsätzen des Sopransaxophons (eine eher seltene Konfiguration ...) gut zu hören.

Ebenso gut lässt sich die zentrale Bedeutung des Tamburins verfolgen und die Kunstfertigkeit, über die manche Pizzicaspieler verfügen.

  

© zitlose 2024

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